Lissabon hat uns bisher sehr wohlwollend aufgenommen und natürlich ist uns nicht entgangen, dass es nicht nur Stadtteile wie Estrela gibt. Natürlich gibt es in jeder Stadt auch die Areale, bei denen die Einwohner vielleicht mit nicht so viel Glück ausgestattet wurden, wie andere. Auch hier gibt es Ecken, da möchte man nicht unbedingt alleine unterwegs sein – schon gar nicht als Frau. Aber dazu später mehr.

Denn unser Weg führte uns am Samstag zum Cemitério dos Prazeres, dem „Friedhof der Freuden“, wie er übersetzt heißt. Er wurde 1833 nach einer Cholera-Epedemie eingerichtet. Der Haupteingang liegt an der End- bzw. Starthaltestelle der bekannten Straßenbahnlinie „28“.

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Im ersten Moment erinnerte mich der Eingang an einen jüdischen Friedhof. Doch schnell wird klar, dass es sich hier um einen ganz besonderen Ort der Ruhe handelt. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen. Bei den Grabstätten handelt es sich nicht wie bei uns um Gräber, die in den Boden eingelassen sind. Angeordnet wie in einer Stadt, sind Straßenzugweise Grabstätten hauptsächlich überirdisch wie Gruften und mit teilweise sichtbaren Särgen angeordnet. Etwas morbides hatte das schon und die Stille war teilweise unerträglich, zwischen den zum Teil geöffneten Grabstätten. Durch das zerbrochene Glas der Türen drang oft ein muffiger, aber nicht unangenehmer Geruch. Verrückt, was sich so mancher sein Grab kosten lässt, war unser Gedanke. In vielen der „Grüfte“ stand neben den Särgen ein Stuhl, teilweise vertrocknete Blumen und Bilder der Verstorbenen. So ganz hinter das Geheimnis des Stuhls bin ich noch nicht gekommen, aber das bekomm ich noch raus, versprochen.

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Am Ende der „Hauptalleen“ finden sich Bodengräber, direkt an der Mauer angeordnet. Jeder der hier ist, sollte sich Zeit nehmen und auf der Bank kurz den Blick genießen. Der Tejo liegt einem hier quasi zu Füßen. Vielleicht klingt das jetzt etwas speziell, aber ich mag diese Stille und vor allem diesen ganz besonderen Moment von Erfurcht und Dankbarkeit. Zu jedem Grab gibt es eine eigene Geschichte und zu jeder Person, die dort in einem Sarg liegt ebenso. Ich werde diese abertausenden Geschichten nie erfahren, doch wenn der Wind durch die Bäume rauscht und die Blätter flattern beschleicht mich das Gefühl, dass mir der eine oder andere etwas mit auf den Weg geben möchte. Ich möchte gar nicht diskutieren wie das klingt – ich lass das einfach mal so stehen.

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Ein Grab verfolgt mich noch immer: Précilia – eine Frau, die am 13. November 2015 im Bataclan in Paris beim Anschlag ums Leben kam. Ganz unerwartet traf mich der Kloß im Hals, als ich den weißen Sarg mit den Unterschriften sah. Die Eintrittskarten des Bataclan und die Fotos von ihr. In dem Moment hab ich die kleine Rakete einmal mehr fest an mich gedrückt.

Mit einem demütigen Gefühl verlassen wir diesen ganz besonderen Ort.

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